P. Metz: Schulen auf besonnter Höhe

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Titel
Schulen auf besonnter Höhe. Gründung und Entwicklung von alpinen Mittelschulen in der Schweiz


Autor(en)
Metz, Peter
Erschienen
Chur 2019: Tardis Verlag
Anzahl Seiten
366 S.
Preis
CHF 48.00
von
Hans-Ulrich Grunder, Institut für Bildungswissenschaften (IBW), Universität Basel

In seiner bildungshistorisch, gerade wegen ihrem starken geografischen Fokus exemplarischen, aufschlussreichen und lesenswerten Studie, thematisiert Peter Metz die Gründung und Entwicklung alpiner Mittelschulen in der Schweiz. Dieser Gegenstand war in der bildungshistorischen Forschung bisher unbearbeitet.

Der Autor begründet seine Themenwahl weniger mit der quantitativ vernachlässigbaren Anzahl von Schülerinnen und Schülern der alpinen Mittelschulen als mit dem Motiv – und das ist die weitreichende These, die der Zürcher Schulhistoriker Lucien Criblez im Vorwort statuiert –, private Schulen zeigten «eine Art Kehrseite öffentlicher Schulen» (S. 8). Sie könnten nur so lange als ‘Nischenprodukte’ überleben, als die öffentlichen Schulen «eine hohe Qualität an Schulbildung erwarten lassen» (ebd.). Gewährleisteten jedoch die staatlichen / öffentlichen Schulen die von ihnen erwartete Qualität über längere Zeit nicht, würden private Schulangebote aus Qualitätsüberlegungen zur Alternative zu öffentlichen Schulen und verlören damit ihren Nischencharakter.

Einige Gründe bewogen Eltern dazu, in Privatschulen der nachobligatorischen Bildung für Leistungen, die in öffentlichen Schulen unentgeltlich oder wesentlich billiger zu beziehen waren, mehrheitlich hohe Schulgelder zu bezahlen: Zwischen 1875 und 1950 waren die Schulstandorte für ausländische Eltern im (vor)alpinen Raum attraktiv, was auch mit den damit zusammenhängenden geographischen und pädagogischen Aspekten zusammenhing (Berge, gute Luft als Gesundheitsfaktor, Vollversorgung / Vollumsorgung, andere Aufnahmekriterien als öffentliche Schulen).

Metz untersucht in seiner quellenbasierten Studie (auch aufgrund von Literatur zur Entwicklungsgeschichte der Alpenerschliessung und unter Bezugnahme auf die Geschichte von Medizin, Sport und Tourismus), wie sich ein vollschulisches privates Bildungsangebot im alpinen Raum der Schweiz herausgebildet hat und studiert so ein Phänomen, dessen Aufarbeitung die bisherige Schweizer Bildungsgeschichte um eine bemerkenswerte Facette erweitert.

Um seine These zu illustrieren, rekonstruiert Metz in dichten ‘Schulportraits’ sechzehn alpine und voralpine private Mittelschulen (von 42 gefundenen Instituten) in nichtkonfessioneller Trägerschaft mit einem Fokus auf der Ostschweiz und Graubünden.

Zu verweisen ist auf die Varianz der Privatschulangebote, was bereits die Definition des Gegenstands belegt, weil als Mittelschule nicht immer dasselbe bezeichnet wurde. Damit waren Schulen der Sekundarstufe I gemeint, ebenso Gymnasien oder andere allgemeinbildende Volksschulen, etwa auch mit berufsbildenden Funktionen. Die Definitionsspielräume waren erheblich, zumal für Bildungslaufbahnen formale Abschlüsse zählten, aber eine eidgenössisch anerkannte Matura noch nicht die alleinige Prämisse für eine erfolgreiche Berufslaufbahn darstellte. Andererseits ist es unangemessen, die alpinen Mittelschulen auf den Aspekt der ‘gekauften Bildung’ reduzieren zu wollen (S. 9). In der Tat zeigt Metz’ Studie zu den privat geführten gymnasialen Mittelschulen des alpinen Raums in der Schweiz, dass die Funktionen dieser Schulform im untersuchten Zeitraum vielfältiger waren, als bisher angenommen worden ist.

Entfernt davon, eine ‘Einheit’ zu postulieren, wie sie Herman Nohl mit Blick auf die von ihm damals mit dem Begriff ‘Reformpädagogik’ belegten Schulerneuerungsversuche des beginnenden 20. Jahrhunderts unterstellte, bevorzugt Metz eine weich definierte, explorativ bestimmte Auswahl von Schulen, die auch den Blick über die Grenzen der alpinen gymnasialen Privatschulen und über jene in die anderen Alpenländer erlaubt.

Wie geht der Autor vor? Einleitend erörtert Metz die Relevanz des Themas, seinen thematischen Zugriff, präsentiert die acht stark fokussierten Forschungsfragen sowie die eingesetzten Forschungsmethoden (Biografien, Dokumentenanalyse, deskriptive Statistik, sozialgeschichtliche und bildungspolitische Ansätze) und erörtert die Quellenlage. Damit ist die Basis dafür gelegt, die Gründung und Entwicklung der alpinen Mittelschulen in der Schweiz nicht lediglich institutionengeschichtlich, sondern als kulturgeschichtliches Geschehen und als Begleitphänomen der gesamten wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des alpinen Raums in der Schweiz (S. 35) zu deuten.

Ist die Grundgesamtheit der zu untersuchenden alpinen Mittelschulen einmal erfasst (1. Kapitel), führt eine Definition des ‘alpinen Raums’ zur Frage nach den Einflussgrössen, die eine geographische Verbreitung von nicht-konfessionellen, privaten alpinen Mittelschulen verhindert haben könnten, und dazu, ob es sich dabei um eine schweizerische Besonderheit handle. In der Skizze der historischen Kontexte und sozialen Motivlagen (2. Kapitel) erörtert Metz die Alpen als Wirtschaftsraum, Chiffre, Genesungs-, Bewegungs- und Bildungsraum sowie die Schweiz als politischen Raum. Im umfangreichsten Abschnitt (3. Kapitel, 220 Seiten) porträtiert der Autor sein Sample: Die voralpinen Mittelschulen der Ost- und der Zentralschweiz, die alpinen Mittelschulen Nord- und Mittelbündens, jene im Engadin und im Tessin, die voralpinen und alpinen Mittelschulen in den Kantonen Bern und Freiburg sowie jene der Westschweiz. Im systematisch angelegten resümierenden Teil (4. Kapitel, 40 Seiten) konstruiert der Autor, basierend auf den Schulporträts die Charakteristika einer Bildungslandschaft des alpinen Raums, eingegrenzt auf die geschichtliche Entwicklung und die Eigenschaften der privaten alpinen Mittelschulen, präsentiert komprimiert die Ergebnisse, diskutiert die ‘Spannungsfelder’, formuliert Anschlussfragen zuhanden weiterer Studien und schliesst den Band mit einem ausführlichen Anhang ab (Abkürzungen, Quellen und Literatur, informative Kurzportraits einzelner Privatinstitute, Personen- und Ortsregister).

Diese anregende Publikation setzt den Massstab für weitere sozialhistorische, bildungs- und schulgeschichtliche Studien in diesem Bereich. Metz’ Arbeit ist untadelig und leserfreundlich angelegt. Ihr Autor argumentiert sachlich und nüchtern, methodologisch bewusst, die Eingangsthese illustrierend, quellenbezogen und bildungs- und schulhisto- risch äusserst sorgfältig. Dem Band ist nicht nur unter Bildungsgeschichtlern und HistorikerInnen eine grosse Resonanz zu wünschen!

Zitierweise:
Grunder, Hans-Ulrich: Rezension zu: Metz, Peter: «Schulen auf besonnter Höhe». Gründung und Entwicklung von alpinen Mittelschulen in der Schweiz, Chur 2019. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 70 (2), 2020, S. 324-326. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00063>.

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